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Katharina Stiglitz. Zum Vergessen.

"Die Anwesenheit der Spur zeugt von der Abwesenheit dessen, was sie hervorgerufen hat. In der Sichtbarkeit der Spur bleibt dasjenige, was sie erzeugte, gerade entzogen und unsichtbar."1

Lesen wir eine Spur, rufen wir die in uns gespeicherten Erinnerungen und Assoziationen an die Personen, Gegenstände oder Begebenheiten auf, die diese hinterlassen haben. Die Spur ist Referenz – eine Entsprechung der Erinnerung in der Realität.

Diese Formel ließe sich als immer präsenter Grundzug in Katharina Stiglitz’ Arbeitsweise behaupten, ohne dem noch viel hinzufügen zu müssen. Jedoch bietet die oftmals strenge, kühle, gar minimalistische Formensprache ihrer Arbeiten demjenigen Betrachter, der bereit ist, sich auf sie einzulassen, einen solch tiefen Reichtum an Assoziationen und Verweisen, dass nie Gefahr besteht, sich in jenem Formalismus zu verlieren.

Eine der Strategien in Katharina Stiglitz’ Arbeitsweise war es von Beginn an, den künstlerischen Gedanken, der einer Arbeit zu Grunde liegt, bis an die Grenze der Wahrnehmbarkeit zu führen und dem Betrachter fast nichts als eine abstrahierte Andeutung zu überlassen. Ihre Arbeiten sind oft nur flüchtige Hinweise auf die Anwesenheit eines größeren Zusammenhangs. Gerade der scheinbare Formalismus, gar Ästhetizismus und die strenge Reduktion in ihren Arbeiten verführen das Publikum, ihren Verweisen zu folgen.

Bei genauerer Betrachtung sind Katharina Stiglitz’ Arbeiten jedoch eine radikale Abkehr von jener Strenge und exogenen Autonomie, die uns vielleicht auf den ersten Blick begegnet. Wo uns die Lesbarkeit auf Grund der Zurückhaltung in ihren Arbeiten erschwert wird, springen dem Betrachter Assoziationen bei und ermöglichen es, den eigenen Spuren zu folgen.

Dass die Referenzen in Katharina Stiglitz’ Arbeit jedoch niemals beliebig sind, erschließt sich durch die konsequente und stringente Auseinandersetzung, die in ihren Arbeiten sichtbar wird. Immer wieder wird die Entstehung unserer Bilder- und Erinnerungswelten hinterfragt, während gleichzeitig unsere Assoziationen sanft in bestimmte Richtungen geleitet werden. Durch die poetische Subtilität ihrer Arbeiten schafft es Katharina Stiglitz, die trennende Linie, die oftmals zwischen dem Besucher und den Arbeiten einer Ausstellung liegt, unbemerkt zu überwinden, ohne sich dabei großer Effekte zu bedienen.

In ihrer raumgreifenden Installation Zum Vergessen für die Startgalerie des MUSA zeigt Katharina Stiglitz die Spuren einer fiktiven Ausstellung an den Wänden des Galerieraumes. Die Umrisse der verschwundenen Bilder, die hier sowohl als Rückstand als auch als Fährte verstanden werden wollen, scheinen wie die Sichtbarmachung jener Abwesenheit, die zu füllen wir uns so sehr bemühen, wenn wir versuchen, uns zu erinnern.

1 Sybille Krämer, in: dies./Kogge/Grube (2007), Spur. Spurenlesen als Orientierungstechnik und Wissenskunst, Frankfurt/M., 2007, S. 14.

 

Der Text erschien anlesslich der Ausstellung Katharina Stiglitz. Zum Vergessen im Museum auf Abruf, Wien, von 13. Mai 2011 bis 9. Juni 2011.

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